Mittwoch, 6. Mai 2009
Nonie Darwish
Die ägyptische Israel-Sympathisantin Nonie Darwish spricht darüber, wie Dschihad und Scharia die muslimische Welt bestimmen, und warum es so schwer ist, Palästinenser und Israelis zu versöhnen. (von Stefan Beig)

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Wiener Zeitung: Frau Darwish, Sie treten seit dem 11. September 2001 in der Öffentlichkeit auf? Warum?

Nonie Darwish: Mohammed Atta, einer der Todespiloten, kam aus Kairo, woher auch ich stamme. Ich erlebte, dass die Kultur meiner Herkunft das Land angreift, in dem ich jetzt lebe. Kurz vor dem 11. September war ich mit meinen Kindern zum ersten Mal nach 20 Jahren wieder in Ägypten. Ich war entsetzt darüber, wie stark sich der radikale Islam in der Zwischenzeit ausgebreitet hatte. Ich dachte, ich wäre in Saudi-Arabien, nicht in Ägypten. In den ägyptischen Zeitungen wurde kaum über die internen Probleme des Landes berichtet. Hingegen wurde heftig gegen die USA und gegen Israel gehetzt.

Als wir am 10. September 2001 nach New York zurückkehrten, sagte meine Tochter zu mir: "Danke, dass du mich in den USA erzogen hast, wo ich in Freiheit leben kann." Wir sahen so viel Dschihad-Propaganda im Nahen Osten. Als ich am Morgen des 11. September aufstand, sah ich, wie das zweite Flugzeug in den Tower raste. Und als dann klar war, was Schreckliches geschehen war, dachte ich: Der Dschihad, den ich hinter mir gelassen habe, kommt nun in die USA.

Ich rief dann viele Menschen in Ägypten an und fragte sie: Was lief falsch mit Menschen wie Mohammed Atta? Alle antworteten: Glaubst du etwa, das haben Araber gemacht? Das ist eine jüdische Verschwörung! Alle gaben den Juden die Schuld.

Ich empfand daraufhin viel Zuneigung für die Juden. Meine Kultur verharrt in einer Verweigerungshaltung, wenn es um eigene Verantwortung und Schuld geht. Meine Kultur behandelt die Juden seit Anbeginn des Islam in erniedrigender Weise.

Warum erstarkte der Dschihadismus so sehr in Ägypten?

Die Idee des Dschihad steht im Zentrum der islamischen Ideologie, er ist ein Teil des Islam. Schon Kinder werden auf den Dschihad vorbereitet. Einer der Gründe für die heutige Präsenz des Dschihadismus in Ägypten ist das Erstarken der Muslimbruderschaft.

Auch einige säkulare Ägypter kooperieren mit den Muslimbrüdern, weil sie das Regime unter Präsident Mubarak für das größere Übel halten.

Das ist tragisch, denn wenn die Muslimbrüder an die Macht kommen, gibt es in Ägypten einen zweiten Iran. Wir hätten dann die komplette Scharia. Es gibt im Nahen Osten nie die Wahl zwischen gut und schlecht, sondern immer nur zwischen schlecht und schlechter. Natürlich ist Mubaraks Regime eine Diktatur, aber es zwingt die Frauen wenigstens nicht dazu, die Burka zu tragen.

Wegen des Fehlens einer Demokratie konnten sich in Ägypten keine politischen Oppositionsparteien behaupten. Ist das gegenwärtige, von den USA gestützte Regime nicht eine Mitursache des Anwachsens des Fundamentalismus?

Die USA wollen ein stabiles Ägypten. Das ist alles. Ich denke nicht, dass die USA die Diktatur fördern. Syrien und Libyen werden nicht von den USA unterstützt und sind ebenfalls Diktaturen. Die Regime in der arabischen Welt sind alle Diktaturen, ob die USA ihnen nun freundlich gesinnt sind oder nicht. Ich werfe das also nicht den USA vor.

Für mein zweites Buch studierte ich eineinhalb Jahre die Scharia. Was dort steht, macht klar, dass die arabische Welt immer nur diktatorisch regiert werden wird. Warum? Weil in der Scharia ein islamischer Staat nur durch Gewalt entstehen kann. Es ist laut islamischem Recht legitim, durch Gewalt an die Macht zu gelangen. Es ist legal, den Ex-Präsidenten zu ermorden. Diktatur ist Bestandteil des islamischen Gesetzes. Andererseits schreibt das islamische Gesetz vor, auch einem ungerechten Staat zu gehorchen.

Sie geben also der islamischen Kultur die Schuld an den totalitären Regimen im Nahen Osten?

Absolut. Stammeszugehörigkeit und Stammeskonflikte gehören aber ebenfalls dazu.

Sie erwähnten Syrien. Dessen Präsident ist Alevit, und etliche seiner nächsten Mitarbeiter sind Christen. Würden Sie auch Syrien als einen islamischen Staat bezeichnen?

Ja, denn auch arabische Christen übernahmen viele Gewohnheiten der islamischen Kultur. Das Anziehende an der Scharia ist unter anderem, dass sie diktaturfreundlich ist: der Traum eines jeden Diktators.

Das ist, meiner Meinung nach, auch einer der Gründe, warum sich der Islam so schnell ausgebreitet hat: Die Unterdrückung wurde damit gerechtfertigt, dass sie ja Allahs Wille sei. Man muss nur gehorchen. Auch Mord ist im Islam erlaubt. Ein Muslim, der mordet, ist entschuldigt, wenn er einen Apostaten ( = vom Islam Abgefallenen, Anm. ) oder einen Ehebrecher tötet. Wenn ein Muslim einen Muslim tötet, wird er mit dem Tode bestraft, nicht aber, wenn er einen Nicht-Muslim tötet. Das islamische Gesetz fördert auch die Selbstjustiz, die Muslime gegeneinander anwenden. Ein Muslim in einem islamischen Staat muss sich nicht nur vor der Polizei fürchten, sondern auch vor seinem Nachbarn und den Leuten von der Straße.

Glauben Sie, dass die Mehrheit der Muslime weltweit diese islamischen Gesetze befolgt?

Die Scharia wird in allen islamischen Ländern auf unterschiedliche Weise angewandt. Aber Muslime – ob sie nun in einem islamischen Land leben oder nicht – glauben, dass sie unter der Scharia leben müssen, um gute Muslime zu sein. Das ist der Grund, weshalb der Islam – wohin auch immer er emigriert – mit dem Rechtsstaat in Konflikt gerät. Warum? Weil der Islam seinem Wesen nach politisch ist. Es gibt keine Trennung zwischen Religion, Staat und Rechtssystem.

Im Islam ist das alles eins. Sobald Muslime irgendwo in der Mehrheit sind, fordern sie die Scharia. Und wenn sie ihnen verwehrt wird, gründen sie eine separatistische Gruppierung, wie etwa im Kosovo und anderswo.

Kann diese Religion modernisiert und moderater werden?

Sie sollte es werden, finde ich. Doch das größte Hindernis auf dem Weg zu Reformen ist, dass der radikale Islam immer gewinnt. Warum sollten ihn die Islamisten moderater machen, wenn sie mit ihm erfolgreich sind? Die islamischen Aktivisten glauben, dass sie mit Hilfe der Scharia an die Macht kommen werden.

Wie würde ein moderater Islam denn Ihrer Meinung nach aussehen?

Es gibt islamische Gesetze, die man nur schwer ändern kann, weil sie auf die Zeit des Propheten zurückgehen. Für viele Führer des Islam sind diese Gesetze tabu, auch jene des Dschihad.

Die Terrorattentate, wie auch jenes vom 11. September, wurden von islamischen Klerikern aber verurteilt.

Ja, aber sie verurteilten nicht den gewaltsamen Dschihad. Sie sind schlau. Sie sagen: Wir verurteilen den Terrorismus und die Tötung von Unschuldigen. Wenn man sie fragt: Wer sind die Unschuldigen?, dann antworten sie: das sind die Muslime. Nicht-Muslime sind für sie keine Unschuldigen.

Zum gewaltsamen Dschihad wurde vor allem im Irak und gegen Israel aufgerufen. In diesen Fällen sprechen die Imame vom Widerstand gegen die Besatzung.

Ich glaube, der Palästinenser-Konflikt ist die beste Ausrede, die um jeden Preis aufrecht erhalten werden muss. Wegen der angeblichen Besatzung gibt es Dschihad. Aber es gibt keine Besatzung. Israel gab 90 Prozent des Landes zurück, das es 1967 okkupierte. Die Siedlungen in Gaza wurden beseitigt. Warum soll Israel auch die Westbank zurückgeben? Als Israel den Gazastreifen verlassen hatte, wurde es von dort aus mit Rakaten beschossen. Wenn Israel die Westbank verlassen sollte, würde es von dort aus ebenfalls beschossen werden. Das garantiere ich Ihnen.

Jeder Staat muss auf die Sicherheit seiner Bürger achten. Aber kein Staat steht über den internationalen Gesetzen und die Vierte Genfer Konvention (Artikel 49,6) trifft auch auf Israel zu.

Erlauben internationale Gesetze, dass ein Staat einen anderen dauernd beschießt?

Welcher Staat? Palästina ist zurzeit kein eigenständiger Staat.

Das ändert nichts daran, dass von palästinensischem Gebiet aus auf Israel geschossen wird!

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist kein unabhängiger Staat. Sie hängt völlig von Israel ab. Und die Lebensbedingungen der Palästinenser sind sehr schlecht.

Für diese Lebensbedingungen ist aber nicht Israel verantwortlich. Schuld daran sind die arabischen Staaten, die die Palästinenser seit Jahrzehnten für ihre eigenen Interessen benützen. Die arabische Welt wäre finanziell durchaus in der Lage, die Palästinenser zu unterstützen und sie an jeglichem Terrorismus zu hindern. Es liegt aber im Interesse aller arabischen Diktatoren, das Palästinenser-Problem aufrecht zu erhalten. So können sie immerzu Israel für alles die Schuld geben.

Frieden im Nahen Osten wäre aber doch ein wichtiger Schritt in Richtung Weltfrieden!

Es wäre gut für die Welt, für die Palästinenser und für Israel. Aber es wäre schlecht für die 22 arabischen Staaten, die von diesem Konflikt profitieren. Auch der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad kann mit Hilfe des Nahostkonflikts immer wieder von seinen eigenen Problemen ablenken. Der Konflikt wäre leicht zu lösen, wenn alle Seiten ehrlich miteinander wären.

Wie würde eine Lösung Ihrer Meinung nach denn aussehen?

Das Problem ist, dass alle arabischen Staaten in diesem Fall unehrlich sind. Israel ist ein ehrlicher Vermittler. Israel ist winzig und will als einziger Frieden.

Israels ehemaliger Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte Ende 2008, Israel wäre bereit, sich vom gesamten Territorium in der Westbank zurückzuziehen.

Ich denke nicht, dass Israel damit beginnen sollte, solange noch auf sein Territorium geschossen wird. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass es Flüchtlinge auf beiden Seiten gab. 800.000 Juden wurden in den 1940er und 1950er Jahren aus arabischen Staaten vertrieben.

Aber die meisten jüdischen Siedlungen entstanden in den letzten 20 Jahren.

Würden die Palästinenser mit den Selbstmordattentaten aufhören, wäre das der beste Beweis dafür, dass ihr Wunsch nach Friede aufrichtig ist. Ich wäre die Erste, die dann von Israel den Abzug von der Westbank verlangt. Das Problem ist, dass die Palästinenser den Friedensprozess immer wieder sabotiert haben.

Sind denn die Selbstmordattentate in der Westbank nicht eher Reaktionen Einzelner auf ihre Lebensumstände als organisierte Terroraktivitäten? Insgesamt wurden mehr Palästinenser als Israelis getötet.

Weil die Araber permanent Menschen als Schutzschilder verwenden. Wenn jemand etwa eine Schule dafür benützt, um von dort aus auf andere zu schießen, darf er sich nicht wundern, wenn zurückgeschossen wird und Kinder in der Schule sterben.

Nochmals: Wäre es nicht einfacher, wenn Israel die Siedlungen in der Westbank räumt?

Die Charta der Hamas verlangt die Auslöschung Israels! Auch heute noch. Auch heute noch wird in arabische Schulen die gesamte Fläche Israels als palästinensisches Land bezeichnet. Täglich wird in den Moscheen zur Zerstörung Israels aufgerufen. Sie glauben offenbar, dass die arabische Welt tatsächlich Frieden will und dass es Frieden geben würde, wenn sich Israel von der Westbank zurückziehen sollte. Ich aber sage Ihnen: Dann würde Israel von allen Seiten her angegriffen und vollständig vernichtet werden.

Kann man von den hunderttausenden Palästinensern, die 1948 vertrieben wurden, denn verlangen, dass sie Israel lieben?

Warum nicht? Die Inder gaben auch einen Teil ihres Landes für Pakistan auf. Und die Inder sind nicht verbittert. Pakistan ist verbittert und möchte Indien zerstören. Palästina war hingegen vorher kein eigener Staat, sondern Teil des Osmanischen Reichs.

So wie die anderen arabischen Staaten auch. Und Israel gab es vor 1948 ja auch nicht.

Die Römer nannten diese Gegend Palästina, weil sie dort Probleme mit den Juden hatten. Palästina ist ein biblisches Wort, kein islamisches. Palästina bezog sich auf jeden, der in dieser Gegend lebte. Es war kein islamisches Gebiet.

Die Gründung des Staates Israel war aber doch ein politisches, kein religiöses Problem.

Es war stets die arabische Welt, die Israel angriff. Die arabischen Führer im Ausland riefen 1948 den Arabern, die innerhalb Israels lebten, zu: Verlasst Israel! Übrigens: Wenn Sie die Lebensbedingungen im Gazastreifen und in der Westbank mit jenen in den angrenzenden Ländern vergleichen, sind sie gar nicht so schlecht. Die Araber vergleichen die Lebensbedingungen der Palästinenser mit denen in Israel, was nicht fair ist.

Und die Araber könnten das ändern. Sie könnten für die Palästinenser Fabriken und Gesundheitseinrichtungen bauen. Saudi-Arabien, das Moscheen in aller Welt errichtet, soll nicht fähig sein, eine funktionierende Infrastruktur in der Westbank oder in Gaza zu errichten? Natürlich wäre es dazu in der Lage. Aber die Araber ziehen es vor, den Palästinensern Geld zu geben, um den Terrorismus zu unterstützen.

Viele Islamisten wurden während des Kalten Kriegs von den USA als Gegengewicht zu den arabischen Nationen, die Verbündete der Sowjetunion waren, unterstützt. Hat der Westen da nicht Fehler gemacht?

Der radikale Islam wächst, egal, was der Westen tut. Die islamische Welt verhält sich zu den Ungläubigen so: Sie benützt jemanden, wenn sie ihn braucht, und wendet sich sofort gegen ihn, wenn sie ihn nicht mehr braucht.

Was sollte der Westen also tun?

Der Westen versteht die islamische Kultur leider nicht, sondern nimmt alles für bare Münze, was islamische Führer sagen. Das ist das grundsätzliche Problem. Der Westen muss lernen, endlich zu verstehen, dass der Dschihad ein Wesenselement des Islam ist. Permanent wird dafür Propaganda in den Moscheen gemacht. Unerhörte Dinge werden von den anerkanntesten islamischen Autoritäten gesagt. Dauernd werden Israel, Europa und die USA verteufelt. Darüber sollten die westlichen Medien viel mehr berichten.

Zur Person

Nonie Darwish ist eine amerikanische Schriftstellerin und Gründerin sowie Sprecherin von "Arabs for Israel" (http://arabsforisrael.com). Sie bezeichnet die Förderung von "Versöhnung, Respekt und Verständnis" zwischen Israel und den Arabern als ihr zentrales Ziel.

Geboren wurde Darwish in Ägypten als Tochter eines Leutnants der ägyptischen Armee. 1956 wurde ihr Vater im Gazastreifen von der israelischen Armee getötet. Der damalige ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser bezeichnete ihn als "Märtyrer". 1978 übersiedelte Darwish mit ihrem Ehemann in die USA und konvertierte zum Christentum. Am Tod ihres Vaters gibt sie der "Islamischen Kultur des Nahen Ostens und der Hasspropaganda, in der Kinder von Geburt an unterwiesen werden", die Schuld.

Seit dem 11. September 2001 äußert sich Nonie Darwish in der Öffentlichkeit kritisch über den Islam und verfasste bisher zwei Bücher: "Now they Call Me Infidel; Why I renounced Jihad for America, Israel and the war on terror" und "Cruel and usual punishment: The terrifying global implications of islamic law" (2009 erschienen), die aber noch nicht auf Deutsch vorliegen.

"Wiener Zeitung" Printausgabe vom Samstag, 02. Mai 2009

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